Das Unglück bei Brehl 1946


Die durch den zweiten Weltkreig bedingten Wartungsmängel haben die gesamte Infrastruktur sowie das rollende Material der RSR in einem sehr schlechten Zustand hinterlassen. Insbesondere betraf dies den Oberbau und Lokomotiven mit Innenzylindern. Dieser bedauerliche Umstand - oder besser gesagt, dessen Mißachtung durch das Personal der RSR - war die unmittelbare Ursache eines schweren Unglücks, das sich am 3. Februar 1946 ereignete. Ein von der heruntergekommenen 3-Zylinder-1'D2'-Lok Nr. 433C.019 (Konstruktion Tešlov) geführter und aus mehr als sechzig Wagen bestehender Güterzug fuhr die Steigung von Willensee nach Brehl mit etwas waghalsigen 85 km/h hinab, als sich der innere Kurbelzapfen festfraß und zu einem Bruch der Pleuelstange gerade vor dem Kurbelzapfenlager führte. Der innere Zylinder, der naturgemäß weiterhin durch die Ventilsteuerung mit Dampf versorgt wurde, ließ die gebrochene Pleuelstange ein- oder zweimal hin- und herschlagen, bis diese die Unterseite des Dampfkessels durchstach. Die Lok wurde sofort von einer riesigen Wolke aus Dampf und heißem Wasser eingehüllt. Das Personal wurde völlig überrascht und der Lokführer leitete instinktiv eine Notvollbremsung ein. Die klapprigen Güterwagen, viele davon mit mangelhaften Bremsen ausgestattet, entgleisten fast sofort und drehten sich zu beiden Seiten ab. Manche kippten die danebenliegende Böschung hinunter, andere landeten auf dem Gegengleis.

Wie das Schicksal so will, stürmte gerade ein aus acht Wagen bestehender und von der neuüberholten, von Šahlmeti konstruierten 2'C-Lok Nr. 323C.021 geführter Schnellzug von Gutenrat nach Vorpswehen mit etwa 55km/h die Steigung hinauf und stieß frontal mit den irregefahrenen Güterwagen zusammen. Der Schnellzug kam fast sofort zum Stillstand, das vordere Drehgestell der 323C.021 entgleiste und die ersten zwei Wagen schoben sich gegen den Tender ineinander. Der dritte Wagen des Schnellzuges neigte sich zur Seite und wurde von einigen der Güterwagen gestreift, die in der Spur geblieben waren.

Beide Lokmänner des Schnellzuges wurden verletzt und in den zusammengeschobenen Wagen kamen neun Menschen ums Leben und dreiundzwanzig weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Viele andere Personen erlitten Schnittwunden und Prellungen. Der dritte Wagen des Schnellzuges wurde an seiner Durchgangsseite beschädigt - so entronnen seine Fahrgäste glücklicherweise jeder großen Gefahr.

Die öffentliche Untersuchung, die am 4. April 1946 im Gerichtshof der Stadt Bewitz stattfand, gab dem Personal des Güterzuges den größten Anteil der Schuld. Es galt als erwiesen, daß angesichts des heruntergekommenen mechanischen Zustands der Lokomotive und der allgeimen schlechten Verfassung des Oberbaus mit fahrlässig überhöhter Geschwindigkeit gefahren wurde. Zu seiner Verteidigung sagte der Lokführer, daß ein schlagender Kubelzapfen eher als locker gelte und nicht so zu betrachten wäre, als würde er sich gleich festfressen. Außerdem seien schlagende Kurbelzapfen typisch für die Lokomotiven der Klasse 433C. Wie unbequem es bei dem schlechten Zustand der Gleise auf dem Führerstand der 433C.019, die zu einer wegen Holperigkeit berüchtigten Klasse gehörte, war, kann man sich wohl vorstellen. (Das mangelhafte Fahrverhalten der Klasse 433C war ein Faktor bei der Entscheidung, 1950 die Lokomotiven in 1'D1' umzubauen.) Im großen und ganzen wurde das Unglück aber zu einem Kriegsereignis erklärt. Daraus wurden im Juni 1946 Urteile eines Todes durch Unglück über die Opfer verkündet.

Lokomotive Nr. 433C.019 wurde im November 1950 Nr. 433E.019 und blieb bis Oktober 1966 im Einsatz. Nr. 323C.021 wurde bereits im März 1954 verschrottet.

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